Frage:    Was ist Sündigen vom kabbalistischen Standpunkt aus gesehen ?


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Antwort:  

Eine Sünde ist eine Tat, die mit einer Haltung „zu empfangen“ ausgeführt wird, anstelle um „zu schenken“. Der Wille „zu empfangen“ entspricht der Sünde und der Wille „zu schenken“ ist die Tugend. Jede Handlung, jede Absicht und jeder Gedanke der von dem Willen abstammt für sich zu empfangen ist sündig, und jegliche Tat, die vom Willen zu schenken ausgeht ist rechtschaffen.
Selbstverständlich kann dies nur von einer Person gesagt und getan werden, welche die Schwelle (Masach oder Schirm) überschritten hat, - einem Menschen der ein Kabbalist geworden und somit im konstanten permanenten Kontakt mit dem Schöpfer ist, der ihn führt, und ihn über Recht und Unrecht aufklärt.

Rabbi Laitman schreibt im Kabbalakurs Lektion1 über die Menschen, die sich auf diesen Weg zum Kabbalisten hinbewegen: Der Schöpfer hat die Geschöpfe insbesondere dazu geschaffen, damit sie durch die Einwirkung des Lichtes beginnen, ein Schamgefühl wahrzunehmen, sowie von ihrem Recht der freien Wahl gebrauch machen, nämlich von ihrem freien Willen. So erreicht das Geschöpf ein Niveau, welches sich durch die Tatsache charakterisiert, dass es empfängt und Freude empfindet, jedoch in einer unpersönlichen Absicht, die auf das Wohl des Schöpfers ausgerichtet ist. In diesem Fall wird das Geschöpf dem Schöpfer gleich, Malchut (Phase4) erhebt sich auf das Niveau von Keter (Nullpunkt), und erwirbt die göttlichen Eigenschaften.

Rabbi Laitman schreibt weiter im Kabbalakurs Lektion 2 über diesen Zustand:
Es ist momentan schwierig, über dieses Thema zu sprechen, es gibt keine Wörter um diesen Mechanismus zu erklären. Sein Verständnis ist nicht möglich, bevor sich der Schöpfer dem Menschen offenbart hat. Dann wird er beginnen den Schöpfer zu fühlen, nachdem er den Masach durchquert hat, den Schirm, der unsere Welt und die spirituellen Welten trennt. Anders gesagt, wenn er die 6000 Abstufungen des Gmar Tikun (die Vollendung der Korrektur) durchquert hat. Jeder spirituelle Grad ist gewissermaßen ein Grad der Enthüllung des Schöpfers. Das Gmar Tikkun erstellt sich, wenn der Mensch sein Verlangen völlig korrigiert hat.

Bevor ein Mensch den Masach durchquert hat, sich völlig repariert hat, also nur noch empfängt um zu geben, kann die Aussage über Sünde und Tugend eines Menschen keine Gültigkeit haben. Denn der Mensch hat in dem noch nicht völlig reparierten Zustand keine Alternative zur Sünde, und man nennt seine Handlungen deshalb „natürlich“.

Man könnte auch sagen, dass ein Mensch der das Licht ohne Schirm (Masach) empfängt, also nur für sich selbst (aus egoistischen Gründen)etwas erhält, sich sündhaft verhält.

Zum Beispiel sündigt ein Gast, der in ein Restaurant geht und alles genießt, weil er ein Feinschmecker ist, und sich nicht die Frage stellt wo die Nahrung herkommt, er hat nicht einmal die Idee sich zu bedanken, für ihn ist alles normal.
Er verhält sich so wie ein Kind, das empfängt, weil es eben so ist.
Er konstruiert keinen „Schirm“ der Fragen, keinen Schirm der Reflektion, des Nachdenkens, um dem Empfangen weitere Facetten zu geben.
Der Mensch kann nur einen Schirm mit allen Nuancen und allen Etappen die sein Lebensprozess mit sich bringt konstruieren, indem er sein Leben lebt und durchleidet.

Rabbi Laitman schreibt hierzu im Kabbalakurs Lektion 3: Das spirituelle Gefäß Keli hat sich in 600 000 Fragmenten zerbrochen. Sein Schirm ist verschwunden. Es ist notwendig, diesen Schirm wieder herzustellen und es sind die Fragmente (wir Menschen), die diese Arbeit machen müssen. Indem sie den zu durchquerende Weg „leben", fühlen wer sie sind, sowie aus sich selbst heraus, den Schöpfer erschaffen.

Machen die Fragmente dies nicht, empfangen sie ohne einen Schirm, leben also sündhaft.

Hierzu geben die Kabbalisten auch folgende Definitionen:

"Yenika der Klipot" wört. Heranziehen des Nährwertes von den Schalen.
Der Nährwert (Lebensunterhalt) der Klipot ist ein absolutes Übel (Sünde).
Sie sind nicht in der Lage irgendein Licht zu empfangen.
Dennoch zerfallen die 'Kelim des Gebens und Schenkens', während 'des Zerschmetterns der Kelim' in die Klipot (Plural von Klipa) und werden für sie Neshama (Seele) und Chayut (Lebenskraft).

"Klipa": wört. Schalen, Hüllen
Das Verlangen welches umgekehrt zum Höheren Licht steht [welches nur geben (schenken) kann], was dem Wunsch zu empfangen entspricht. Darum werden die Klipot vom Leben abgesondert und als tot bezeichnet.

"Klipa Noga": Venus-Schale, Schale des Glanzes
Eine Art Nitzotzim welche in sich eine Mischung von Gut und Böse enthalten.
Wenn die Schale das Licht in ihrem guten Teil empfängt, gibt es eine Verleihung (Schenkung) des Lichtes auch für den bösen (sündigen) Teil.

"Nitzotzim": wört. Funken
Dies sind die Reshimot (wört. Aufzeichnung, oder das was das Licht nach seinem Aufbruch (Start) zurücklässt) die von den Lichtern der Nikudim (wört. Stücke, Teile) übrigbleiben, nach ihrem Start von den zerschmetterten Kelim. Sie haben 2 Arten von Lichtern in sich:
1. Ein feines direktes Licht (Or Yashar) -als die Lichter bezeichnet, die in Atzilut verbleiben.
2. Ein grobes zurückkehrendes Licht (Or Chozer)-auch Nitzotzin genannt, welches zusammen mit den Kelim in BIY"A herabsteigen.

Kurz gesagt kann man auch sagen:
Unsere Welt ist ein Zustand des Malchut, der sich durch das Fehlen eines Schirms charakterisiert- also eine Welt der "Zweiheit" oder "Vielheit" in der das Gute und die Sünde existiert.

 

Peter Staaden