Das Wesentliche und der Zweck der Religion


 

Was ist das Wesentliche der Religion?

Wie können wir das gewünschte Ziel erreichen, ist es in dieser Welt oder in der kommenden?

Für wessen Nutzen existiert die Religion?

Ist sie ein Segen für den Schöpfer oder für seine Geschöpfe?

 

Viele Gläubige erhalten während ihres gesamten Lebens keine Antwort auf diese Fragen. Was dazu geführt hat, dass sich viele während der vergangenen 200 Jahre weiter und weiter von der Religion entfernt haben. 

Die Kabbalisten, die den Schöpfer verstehen und erreicht haben, begreifen ihn als absolut gut.

Sie erklären uns, dass Er niemanden auf der Welt auch nur den geringsten Schaden zufügen kann. Denn ”der Wunsch zu empfangen” ist in Ihm völlig abwesend. Wenn wir jemandem etwas Falsches oder Böses antun, machen wir es, immer für uns selbst, um wegen eines eigenen Mangels etwas dafür zu erhalten. Wäre dieses Gefühl, immer etwas für uns selbst haben zu wollen, nicht die ganze Zeit in Tieren und Menschen anwesend, sähe die Welt sicher anders aus. Die Wurzel allen Übels würde verschwinden. Wir, die Kabbalisten, denken uns den Schöpfer als etwas absolut Ganzes und Absolutes. Das Fehlen Seines Wunsches “zu bekommen und zu gewinnen“ zeigt die vollständige Abwesenheit irgendeines Mangels. Für uns, erscheint er als die absolut gute Instanz. Manchmal bekommen wir ein ähnliches Gefühl, während eines Glücksmomentes, ein Gefühl der Erfüllung, wenn es uns an nichts mangelt.

Alles was wir fühlen und denken, kommt vom Schöpfer. Aber bedeutet dies, dass alle seine Kreationen nur das Gütige und Gute empfinden sollten? 

Die ganze uns umgebende Natur lässt sich in vier Kategorien einteilen: Unbelebtes, Pflanzen, Tiere und Menschen. In jeder dieser Bereiche können wir eine zielorientierte Entwicklung beobachten. Sie ist langsam und stufenweise, aber sie ist offensichtlich. Eine Frucht, die an einem Baum wächst, wird erst am Ende des Reifeprozesses gut und fertig. Aber wie viele Zwischenstadien muss sie vor dem Ende ihres Wachstums noch durchlaufen! Diese Zwischenzeitpunkte sagen uns jedoch nichts, über den endgültigen Zustand dieser Frucht aus. Wir wissen nicht einmal, wie weich und süß diese Frucht später einmal sein wird. Mit anderen Worten, je besser die Frucht in ihrem reifsten Zustand ist, desto härter und bitterer war sie zuvor, d.h. in ihrer Zeit des Heranreifens.

Die gleiche Betrachtungsweise kann man auch für die Tierwelt anwenden. Das Tier kann in einem späteren reifen Alter geistig sehr begrenzt sein, aber während der Wachstumsperiode ist dies nicht offensichtlich. Zum Beispiel: An einem erst einen Tag alten Kalb, können wir bereits alle Qualitäten und Eigenschaften des zukünftigen Stiers erkennen. Mit anderen Worten, nach seinem ersten Lebenstag entwickelt sich das Kalb kaum noch weiter. 

In diesem Sinn ist der Mensch eine völlig andere Kreatur. In seiner Blütezeit ist er sehr gut entwickelt und intelligent, jedoch völlig hilflos und erbärmlich in seinen ersten Lebensjahren. Der Unterschied dieser beiden Beispiele ist ziemlich erstaunlich. 

Würde theoretisch betrachtet, ein Wissenschaftler auftauchen, der mit unserer Welt überhaupt nicht vertraut ist, und würde er diese beiden neugeborenen Kreaturen untersuchen, käme er vielleicht zu überraschenden Schlussfolgerungen. Er würde wahrscheinlich sagen, dass ein menschlicher Säugling sich nur schwerlich zu mehr entwickeln wird, während für ihn das Kalb, ein zukünftiger Napoleon sein könnte. 

In der Regel zeigen zwischenzeitliche Zustände ziemlich das Gegenteil von dem, was das Endresultat sein wird. Nur jemand, der diesen endgültigen Zustand kennt, wird nicht von den erbärmlichen Erscheinungen der Objekte während ihrer Entwicklungszeiten erstaunt sein. Deshalb ziehen wir oft vorschnelle verfehlte Schlussfolgerungen, ohne das wahre endgültige Ergebnis voraussagen zu können. 

Daraus können wir erkennen, dass die Art und Weise wie der Schöpfer diese Welt lenkt, sehr zielorientiert ist, was sich erst am Endes des Prozesses von selbst zeigen wird. In Seiner Einstellung und Seinem Verhalten uns gegenüber hat Er nur gute Absichten. 

Der Grund und das Ziel Seiner Führung sind, uns bei unserer Entwicklung zu helfen, und uns letztendlich zu befähigen, all das Gute und Positive was noch auf uns wartet, empfangen zu können. Dieses Ziel wird ohne Zweifel nach Seinen Plänen erreicht werden. 

Für jeden von uns gibt es zwei Wege in die richtige Richtung zu gehen. Der eine ist der Weg des Leidens (erkennen was gut und schlecht ist, und dann das Gute aus Notwendigkeit auswählen.) Der andere, kürzere und schmerzlosere Weg, ist die Gesetze der Thora vollständig zu befolgen, (und durch deren Weisungen den nötigen Entwicklungszustand zu erreichen.) 

Alle Gesetze und Anweisungen in der Thora haben die Absicht und Zielrichtung, das Verständnis von Gut und Böse in uns selbst, zu fördern und zu entwickeln. Von Natur aus sollten wir alles, was böse und schlecht ist, ablehnen und verabscheuen. 

Die Beachtung aller Gesetze und Regeln kann uns von allem Übel befreien. Die Unterschiede der Entwicklung in den verschiedenen Menschen, manifestieren sich ausschließlich in dem Ausmaß (mehr oder weniger), wie die Person das Schlechte und Böse in sich selbst spürt. Es zeigt sich auch in einem stärkeren oder schwächeren Wunsch, diesen schlechten Teil innerhalb sich selbst, loszuwerden. 

Die Grundlage und Ursache für alles Schlechte, sind in unserem Egoismus begründet. Er ist der Natur des Schöpfers entgegengesetzt, der nur Gutes für uns wünscht. Alles, was wir als angenehm wahrnehmen, kommt direkt von ihm. Daraus folgt, je näher wir dem Schöpfer sind, desto angenehmer und besser fühlen wir uns, je weiter wir von ihm entfernt sind, desto mehr Leiden haben wir zu ertragen und auszuhalten. Der Schöpfer hasst den Egoismus. Deshalb,  hasst der Mensch, jeweils in Abhängigkeit der Stufe seiner Entwicklung, ebenso den Egoismus. Von einer spirituell unterentwickelten Person wird es für ein natürliches Gefühl gehalten. Dort kann es sich in der völligen Missachtung der Mitmenschen zeigen (bis hin zur Stufe des offenen Diebstahles und Mordes steigern.) Die etwas entwickeltere Person wird auch von seinem Egoismus regen Gebrauch machen, jedoch fühlt sie sich dabei beschämt und peinlich berührt. Die voll entwickelte Person fühlt nichts, aber hasst den Egoismus.

 

Nach diesen Erläuterungen, können wir nun die Antworten auf die Fragen, mit denen wir begonnen hatten, formulieren: 

1. Das Wesentliche und der Zweck der Religion ist, für jeden den höchstmöglichen Entwicklungszustand zu erreichen. Dies sollte in einer guten und schmerzlosen Weise vonstatten gehen, und nicht durch Leiden. 

2. Das angestrebte Ziel, der höchste Grad (je, nachdem wie viel Arbeit eine Person mit sich selbst verwirklicht hat) ist eine Möglichkeit, die in unserer Welt real existiert. 

3. Religion wurde uns nicht im Sinne von Vergnügen und Gewinn gegeben. Sie ist vielmehr ein Leitfaden, uns Wege für eine Verbesserung unseres Selbst aufzuzeigen. 

 

 

 

Übersetzung von Peter Staaden 

 

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