Wie man die Torah ansehen sollte

aus: "Das Herz der Kabbala"  Seite 161-163
Zohar 3:152a (13.Jahrhundert) siehe Matt, Zohar, 43-45, 204-207

 

Rabbi Shim'on sagte:
"Wehe den Menschen, die sagen,
daß die Torah nur Geschichten und gewöhnliche Worte bietet!
Wäre das so, könnten wir jetzt sofort
eine Torah aus gewöhnlichen Worten verfassen,
ja noch besser als sie alle Angelegenheiten der Welt darstellen.
Sogar die Herrscher der Welt haben erhabenere Worte.
Wäre es so, folgen wir ihnen doch und machen eine Torah aus ihnen.
Ah, aber alle Worte der Torah sind erhabene Worte,
erhabene Geheimnisse!

 

Komm und sieh:
Die Welt oben und die Welt unten sind vollkommen ausgeglichen:
Israel unten, die Engel oben.
Von den Engeln steht geschrieben: 'Er macht seine Engel zu Geistern.'
Aber wenn sie hinabsteigen, legen sie das Gewand dieser Welt an.
Wenn sie nicht ein Gewand anlegten, das für diese Welt passend ist,
könnten sie in dieser Welt nicht bestehen
und die Welt könnte sie nicht ertragen.

 

Wenn das schon mit Engeln so ist, wieviel mehr mit der Torah,
die sie und alle Welten erschaffen hat
und um deretwillen sie alle existieren.
Wenn sie auf diese Welt herabsteigt
und nicht die Gewänder dieser Welt anlegt,
könnte die Welt sie nicht ertragen.

 

So ist diese Geschichte der Torah das Gewand der Torah.
Wer denkt, daß das Gewand die wahre Torah ist
und nicht etwas anderes
- möge sein Geist schrumpfen!
Er wird keinen Teil haben an der Welt, die kommen wird.
Deshalb sagte David:
'Öffne mir die Augen,
daß ich die Wunder aus deiner Torah sehen kann',
das, was unter dem Gewand der Torah liegt.

 

Komm und schau:
Da ist ein Gewand, das alle sehen können.
Wenn diese Narren jemanden in einem hübschen Gewand sehen,
schauen sie nicht weiter.
Aber die Essenz des Gewandes ist der Körper;
die Essenz des Körpers ist die Seele.

 

So ist es mit der Torah.
Sie hat einen Körper: die Gebote der Torah,
sie werden 'die Verkörperung der Torah' genannt.
Dieser Körper ist in Gewänder gekleidet:
die Geschichten dieser Welt.
Die Narren der Welt schauen nur auf das Gewand,
die Geschichte der Torah;
sie wissen es nicht besser.
Sie sehen nicht nach, was unter diesem Gewand liegt.
Jene, die mehr wissen, schauen nicht auf das Gewand,
sondern auf den Körper unter dem Gewand.
Die Weisen, Diener des hohen Königs,
die am Berg Sinai standen,
schauen nur auf die Seele,
die Wurzel von allem, die wahre Torah.
Die Zeit wird kommen, wenn sie ausersehen sind;
die Seele der Seele der Torah zu schauen.

 

Komm und schau: So ist es oben.
Es gibt ein Gewand, einen Körper,
eine Seele und die Seele der Seele.
Die Himmel und ihre Heerschar sind das Gewand.
Die Gemeinschaft Israels ist der Körper,
der die Seele empfängt, die Schönheit Israels.
Sie ist daher der Körper der Seele.
Die Seele, die wir genannt haben,
ist die Schönheit Israels, die wahre Torah.
Die Seele der Seele ist der Heilig Alte.
Alles ist miteinander verbunden, dieses mit jenem.

 

Wehe den Bösen, die sagen,
die Torah sei nur eine Geschichte!
Sie blicken auf das Gewand und nicht weiter.
Glücklich sind die Gerechten, die die Torah richtig ansehen!
Wie Wein in einem Krug lagern muß,
so muß die Torah in dieses Gewand gehüllt sein.
Schau daher nur auf das, was unter dem Gewand liegt.
Alle diese Worte und alle diese Geschichten sind Gewänder."

 

 

 

aus: "Das Herz der Kabbala" Herausgegeben von Daniel C. Matt
© 1996 alle deutschsprachigen Rechte by Scherz Verlag, Bern, München, Wien,
für den Otto Wilhelm Barth Verlag.

 

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Übersetzung von Peter Staaden